In seinem Artikel über die Geschlechtsbestimmung von MS hatte Erich Kaiser bereits darauf hingewiesen, das Segler, wenn sie kämpfend aus dem Kasten entnommen werden, oft kurz nach ihrer Freilassung wieder kämpfend im Kasten gefunden werden, wohl um dort die Sache zu Ende zu bringen. Er beschreibt auch, dass Segler beim Kämpfen stets die Augen fest geschlossen halten und dass es daher nicht zur Aufgabe des Nistplatzes kommt, wenn die Segler mit der Hand entnommen werden.
http://www.mauersegler.klausroggel.de/m ... rtikel.htm
Soweit die Theorie. (Was die Geschlechtsbestimmung über die Rufe der Segler betrifft, so ist da sicher noch Klärungsbedarf, wenn ich @Wächter richtig verstehe).
In meiner Kolonie beschränkte sich meine Wahrnehmung von Kämpfen bisher weitgehend auf die Sichtung von Seglern, die nach verlorenem Kampf vom Sieger im Kasten so festgehalten wurden, dass ihr Körper halb aus dem Einflug ragte. Sie versuchten dann, irgendwie freizukommen, was schon mal eine Viertelstunde oder mehr dauern konnte. Für den Verlierer eine absolut hilflose Lage, für Beutegreifer praktisch eine Einladung.
2013 erlebte ich das erste Mal so einen Kastenhänger im Giebelkasten. Ich trennte damals die Kämpfer - der befreite Verlierer flog davon - und ließ den Gewinner im Kasten zurück. Das neuere der beiden Nester wurde mit drei Eiern aufgegeben. Ich habe das auf Fehleinflug und verlorenen Kampf zurückgeführt, wurde aber das Gefühl nie so ganz los, dass auch mein Eingreifen eine Rolle gespielt haben könnte.Seitdem habe ich mich bewusst zurückgehalten.
2022 habe ich im Forum das erste Mal über Kämpfe mit tödlichem Ausgang gelesen. Und nun kamen in diesem Jahr die Kameras hinzu.
Ich werde mich weiter sehr zurückhalten. Im Ernstfall wüsste ich ja noch nicht einmal, ob ich dem Besitzer oder dem Angreifer helfe

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Inzwischen habe ich mehrere Kämpfe über Aufzeichnungen der Kameras zurückverfolgt. Sie beginnen fast immer sehr heftig, werden dann von langen, statischen Phasen abgelöst, in denen die Kontrahenten unbeweglich, meist einer auf dem Rücken liegen und sich immer wieder mal mit den Schnäbeln bearbeiten. Zu Anfang der Saison dauerten die Kämpfe nur wenige Minuten, spätere bis zu drei Stunden (wobei ich weiß, dass auch deutlich längere Kämpfe bekannt sind).
Am 23. Mai kam es im Balkonkasten 4 zu einem schweren Kampf. Der Kasten war vor wenigen Tagen entdeckt worden, der Segler hatte noch keinen Partner. Gegen ca 21:25 Uhr sah ich einen zweiten Segler einfliegen. Ich freute mich schon, aber als ich mit der Kamera nachsah, fand ich eine heftige Auseinandersetzung vor. Es gab auch ich hier Abschnitte mit wildem Geflatter, dann wieder Pausen. Gegen 21:45Uhr Stillstand. Ein Segler lag merkwürdig verdreht auf dem anderen. Die Kamera zeigte 90 Minuten keine einzige Bewegung auf. Gegen 23:15 Uhr waren meine Sorgen so groß, dass ich beschloss, beide Segler aus dem Kasten zu nehmen. Sie sollten ggf je in einem leeren fremden Kasten übernachten, wenn's überhaupt beiden noch gut genug ging. Beim Griff in den Kasten ließen die beiden voneinander ab. Einen hatte ich in der Hand, der zweite flog in die Dunkelheit. Ich setzte den ergriffenen Segler sehr vorsichtig in Kasten 12 - trotzdem verschwand auch der kurz darauf in die Nacht. Ich ging da mit dem Gefühl zu Bett, vielleicht beiden nur geschadet zu haben. Kasten 4 erhielt am nächsten Morgen Kurzbesuch und wurde dann bis zum 26.5. gemieden.
Ich habe den Eingriff schnell bereut. Zum Glück waren beide Segler wohlauf. Damit war mein Eingriff aber auch überflüssig. So werde ich weiter nur sehr, sehr restriktiv in Kämpfe eingreifen. Da bleibt die stille Hoffnung, dass die das selber klären. Sicher kann und werde ich mit dem Ergebnissen nicht immer zufrieden sein und ich hoffe, dass "Wurfeier" mein größtes Problem bleiben.
Aktuell sind sie übrigens friedlich.
LG H.-G.