Austausch über Rückkehr, Bruttätigkeit, Abflug und Verhalten der Mauersegler im Jahresverlauf
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MauerseglerBerlin
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Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von MauerseglerBerlin »

Liebe Interessenten,

gestern fand ich eine sehr aufschlussreiche Studie (im Anhang) über das Zugverhalten unserer kleinen Freunde. Es handelt sich um eine schwedische Studie, die einige (wenn auch nur wenige) Mauersegler mit Transpondern bestückt hat, um deren Zugverhalten zu ergründen.

Interessant fand ich neben einigen für mich neuen Erkenntnissen über zurück gelegte Strecken und Routen insbesondere, dass die Rückzugroute im Frühjahr in einem Stück, also Non-Stop und in deutlich höherer Geschwindigkeit zurück gelegt wird als die Route nach Afrika ins "Winterlager", die mit einigen Zwischenstopps versehen ist. Offenbar wählen die Vögel hin und zurück auch nicht konsequent die gleiche Strecke, was mich auch überraschte.

Den Artikel fand ich bei meinen Nachforschungen zum Orientierungssinn spät abreisender JV, weil mir immer noch unklar ist, wie diese ohne AV den Weg finden. Zu diesem Thema fand ich leider nichts.

Hier der Link zur Studie:
https://www.cell.com/iscience/fulltext/ ... all%3Dtrue

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StefanDD
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von StefanDD »

Hallo,

ich glaube mich zu erinnern, dass das Vogel-Zugverhalten genetisch determiniert ist. Das heisst, Zugdauer und -richtung sind vorprogrammiert. Die Orientierung erfolgt dann am Magnetfeld und anderen Faktoren, wie Sonnenstand etc.

LG
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H.-G.
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von H.-G. »

StefanDD hat geschrieben: Di 29. Aug 2023, 10:50 ich glaube mich zu erinnern, dass das Vogel-Zugverhalten genetisch determiniert ist. Das heisst, Zugdauer und -richtung sind vorprogrammiert. Die Orientierung erfolgt dann am Magnetfeld und anderen Faktoren, wie Sonnenstand etc.
Moin!
Ganz so einfach ist das leider nicht. Die Unterschiede sind von Art zu Art sehr verschieden. Nehmen wir mal den Waldrapp: hier lernen die JV den Zug in den Süden inklusive Reiseroute von ihren Eltern. Ein Grund, warum handaufgezogene Waldrappe im Herbst nicht wegziehen und ihnen diese Wege von menschlichen Zieheltern aufwändig beigebracht werden müssen. Manche von Euch werden die Filme über die Auswilderungsprojekte dieser charismatischen Vögel gesehen haben. Bei Graugänsen scheint es ähnlich zu sein, wohl auch bei Kranichen.
Bei anderen Arten besteht ein zunehmender Zugtrieb auch ohne Anlernen durch die Eltern, sie fliegen aber im Normalfall in deren Begleitung - ihre Reiserouten werden sie deshalb normalerweise von Altvögeln gezeigt bekommen. Aber auch ohne Eltern werden sie aufbrechen. Ein Beispiel hierfür sind Stare, bei denen AV und JV nach der Brut in großen Schwärmen umherziehen. Aber auch im Käfig gehaltene handaufgezogene JV werden im Herbst unruhig, richteten sich in Versuchen nach Süden aus. Stare und Waldrappe sind Beispiele, die wir ins leicht vorstellen können.
Dann gibt es aber die, die das nicht so einfach von ihren Eltern lernen können. Zum Beispiel Singvögel, die nachts ziehen. Sie können sich zwar an Gestirnen und Magnetfeldern orientieren, die Begleiter aber meist nicht oder kaum sehen, eventuell aber hören. Ich habe einen sehr interessanten Film über das Reiseverhalten von Mönchsgrasmücken gesehen, in dem gezeigt wurde, wie stark sogar die Reiseroute genetisch programmiert ist. Wenn sich hier AV mit verschieden genetisch angelegter Reiseroute verpaaren, wählen deren Nachkommen ganz neue, oft unsinnige Wege. So sind die in den letzten Jahren bekannt gewordenen in England überwinternden Mönchsgrasmücken nicht etwa Vögel, die auf dem Weg von Skandinavien einfach hier geblieben sind, sondern Nachkommen von Vögeln aus Süddeutschland oder Österreich. Hier treffen Populationen, die die Balkanroute nehmen auf Populationen, die über Spanien ziehen. JV , die Eltern aus je einer dieser Gruppen haben, ziehen oft direkt über die Alpen (was viele nicht überleben) oder paradoxerweise sogar nach Norden (was sie nur durch menschliche Hilfe z.B. in England überleben können). Das ist ein Beispiel für eine sehr genau genetisch festgelegte Reiseroute.
Als letzte Gruppe möchte ich hier die nennen, die sich keinesfalls an ihren Eltern orientieren können - ganz einfach deshalb, weil sie schon vor ihnen wegziehen. Ein Beispiel hierfür sind Störche und wohl auch unsere Segler. Störche reisen zwar in Gruppen, was die Auffindung der richtigen Route zu einer gemeinsamen Entscheidung macht, aber ohne Eltern eben irgendwie vorprogrammiert sein muss. Dabei werden sie instinktiv hohe Berge oder große Wasserflächen meiden. Die Aufteilung in Balkanroute und den Weg über Spanien wird sich aus den Hindernissen ergeben, die sich dieser JV-Gruppe auf dem Weg in den Süden entgegenstellen. Sie scheinen später an der erlernten Route festzuhalten und sie vor allem für den Rückweg wieder zu benutzen.
Und dann sind da noch die, um die es hier am meisten gehen soll: junge Mauersegler. Auch bei der ihnen ist die Reiserichtung bestimmt genetisch festgelegt. Wer einmal einen JV Ausfliegen gesehen hat, wird sich gut vorstellen können, dass sich der gleich auf die Reise macht - so schnell stürmt der, meist nachdem er einen Bogen geflogen hat, in eine Richtung davon. Die Lehrmeinung geht ja überwiegend davon aus, dass das auch der Fall ist. Auch junge MS werden nicht allein reisen, da sich ja zur gleichen Zeit viele JV auf denselben Weg machen. Da sie nicht auf Übernachtungsplätze am Boden angewiesen sind, haben sie in der Gestaltung der Route mehr Möglichkeiten, zumal Nahrungserwerb und Reisen gleichzeitig geschehen können. Als bedeutsame Hindernisse kommen hier noch Tiefdruckgebiete dazu, denen sie ausweichen können und müssen. So kann es wetterbedingt vorkommen, dass JV, die ein paar Tage später ausfliegen, andere Wege als ihre Vorgänger nehmen. Sie werden eine grobe Richtung im Kopf haben, sich aber auch durch Wetter, Nahrungsangebot und Hindernisse leiten lassen. Meiner Meinung nach muss die Art aber auch einen sehr feinen Navigationssinn haben, der ihnen genau zeigt, wo sie sich gerade befinden: Luftübernachtende AV finden jeden Morgen den Weg zur Kolonie - egal wie weit sie in der Dunkelheit verdriftet wurden und im Mai fliegen Heimkehrer punktgenau den Einflug ihres Nestes an, auch wenn der inzwischen verändert wurde. So werden junge Segler durch angeborene Zugrichtung und auftauchende Hindernisse gelenkt. Dazu wird eine gewisse Gruppendynamik kommen. Hier sind gemeinsam getroffene Entscheidungen wohl auch sicherer.
Den Spätausfliegern wird diese Gruppendynamik meist fehlen, der Instinkt wird sie gut leiten. Ihnen wird aber zur Hilfe kommen, dass ihre Eltern oft gleichzeitig abreisen. ( Ich denke da an Olafs - @Ozul - letzten JV 2022 oder an Beispiele hier im Forum in dieser Saison, wo der AV direkt nach dem letzten JV abflog wie Hier ). Aber auch Spätausflieger, die erst nach ihren Eltern Ausfliegen, werden früher oder später auf (evtl wenige) "Leidensgenossen" mit dem selben Ziel treffen.
So viel (zu viel ;) ) zum Ziehen der JV
Gruß H.-G.
Sollte ich den Film über die Mönchsgrasmücken finden, werde ich das nachreichen.
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H.-G.
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von H.-G. »

H.-G. hat geschrieben: Di 29. Aug 2023, 20:12
Sollte ich den Film über die Mönchsgrasmücken finden, werde ich das nachreichen.
Es war ein Vierteiler: "Die geheimnisvollen Reisen der Tiere". Neben Mönchsgrasmücke wurden noch Rauhautfledermaus, Distelfalter und Eleonorenfalke mit ihrem eindrucksvollen Migrationsverhalten vorgestellt. Leider finde ich nirgends einen freien Zugang zu der Reihe. Aufgrund ihrer Qualität gehe ich davon aus, dass sie über kurz oder lang in den öffentlich rechtlichen wieder zu sehen sein wird.
H.-G.
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Dodo
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von Dodo »

Vielen Dank H.-G. für die Ausführungen zum Zugverhalten der Vögel.
Manches war mir neu und man kann über deren Fähigkeiten nur Staunen.

Gruß Maddin
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Frank
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von Frank »

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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von H.-G. »

Hallo Frank!
Das ist schon die richtige Serie. Die Beiträge wurden hier aber von 45 auf 15 Minuten gekürzt. So fehlt z.B. der Teil mit den gemischten Populationen, die jetzt in Großbritannien überwintern.
LG H.-G.
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von Frank »

Schade... :S
Dachte es sind die richtigen Beiträge.
Hatte aber schon die Befürchtung, daß es nicht passt...
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H.-G.
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von H.-G. »

Hallo Frank!
Es sind die richtigen Beiträge - nur eben in gekürzter Form.
LG H.-G.
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Re: Zugverhalten Mauersegler

Beitrag von StefanDD »

Hallo zusammen,

@H.-G. Das waren sehr ausführliche Beschreibungen von Dir und sehr interessant! Danke!

Meine Behauptung: Auch einzelne Mauersegler begeben sich auf Zug (natürlich suchen sie Anschluss an Artgenossen) und finden ihren Überwinterungsplatz allein. Eine andere Wahl haben die ja nicht… losfliegen oder sterben!

Die Überwinterungsplätze scheinen sich vorwiegend an den Nahrungsquellen zu orientieren. Die Kolonie bleibt dann nicht zusammen und kann viele km verstreut sein. Nur die Rückkehr zum Brutplatz ist dann ganz präzise.
Schon irre, was die kleinen Vögel leisten können!

🙋🏻‍♂️
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